Von Windisch ins Tessin und zurück


Text: Walter Spillmann-Rauber

Geschichte der Windischer Bauernfamilie Hans und Klara Rauber-Oppliger

Die Bauernfamilie Hans und Klara Rauber-Oppliger hat Wurzeln am Kirchrain in Windisch. Hans Rauber wurde am Kirchrain geboren und ist dort auf dem elterlichen Hof aufgewachsen. Im Tessin, auf dem Gutsbetrieb Tenuta Bally in Breganzona bei Lugano war Hans Rauber als Werkführer tätig und lernte dort seine spätere Frau Klara Oppliger kennen. Ab 1945 bis 1949 leitete das Ehepaar Rauber-Oppliger das Anbauwerk der Securitas AG in Cademario bei Lugano. Später bewirtschaftete die Familie die Pachtbetriebe Tenuta Argentina in Bioggio bei Agno und die Tenuta San Martino in Rancate bei Mendrisio. Anfang der 1960er Jahre erfolgte die Rückkehr nach Windisch und die Uebernahme des Landwirtschaftsbetriebes Fahrgut der Spinnereien Kunz AG, in Pacht. Das Fahrgut konnte 25 Jahre bis 1986, bis zum Verkauf an einen neuen Eigentümer, von der Familie bewirtschaftet werden.

 

Geschlecht Rauber Windisch

Nachlass Samuel Koprio, Windisch, StaaAG                 Transkript 1.3.15 / Jürgen Rauber

 

Abgeleitet von roub, raub, Raub, Grasschnitt, in seiner Bedeutung ähnlich mit Mäden, Heuen. Das Geschlecht findet sich nachweisbar zuerst in und um Schaffhausen, von wo es in den Aargau gelangt ist; jetzt ist es noch am Bodensee vorhanden, hat sich aber auch in den Kt. Solothurn (Egerkingen und Neudorf) verbreitet.

 

In Schaffhausen: 1448 Heini Rouber, 1445, 1449, 1452 Bertschi Rouber und Else, seine Hausfrau, 1488 Peter Rouber, nach 1513 Hans Rouber. In den ersten Taufrodeln von Schaffhausen (von 1531) sind sie nicht mehr vorhanden. Gleichzeitug erscheinen sie in Kaiserstuhl. Im März 1484, bei Gründung des dortigen Spitals sind Vergaber Niclaus Röber, Lutpriester zu Kaiserstuhl und Hans Rouber und sin frow; ein Bürger-(Haus-) Verzeichnis derselben Zeit bringt diesen letzten als 8. Bürger. Die ältesten Kaiserstuhler Akten führen das Geschlecht mehrfach an; im ersten Taufrodel (von 1621 in Hohenthurgau) ist es schon erloschen, d.h. ausgewandert.

 

Die Windischer Rauber stammen von Kaiserstuhl. Am 17. März 1595 wurden in Elfingen copuliert: Fridli Roub(er) von Kaiserstuhl mit Eva Düffelbeiss von Veltheim. Die beiden liessen sich in Mönthal nieder und liessen dort taufen:

 

Felix(1595), Johannes (1598), Huldericus (1600), Elsbeth (1605), Margreth (1609) und Jakob (1612)

Von den drei ältesten Söhnen verheirateten sich
 

  • Felix mit Anna Mosmann; Kinder: Johann 1617, Felix 1618, Anna 1620, Martin 1622, Madlena 1625
  • Uli mit Elisabeth Blattner; Kinder: Ulrich 1624, Johann 1627
  • Hans mit Madlena Läder; Kinder: Johann 1627

 

Während des Jahres 1629 zieht die ganze Verwandtschaft nach Birrhard (Inlauf).

 

Uli Rauber, der erste Rauber in Windisch

Uli Rauber, 1624-1694, einer der Stammväter des Windischer Rauber-Geschlechts, übersiedelte von Inlauf nach Windisch. Durch Einheirat in die Familie Emmisberger wurde er Miteigentümer an deren Hof an der Dorfstrasse (heute ‘Bossarthaus’) und 1669 in Windisch eingebürgert. Er war 1670 Dorfmeier (Gemeinderat). Der frühere Spycher hinter dem heutigen Bossarthaus wurde von Uli Rauber 1678 erbaut. Der Türsturz mit der Jahrzahl 1678, der bis heute erhalten geblieben ist, erinnert an den ersten Rauber in Windisch.
 

 

Türsturz von 1678 (im Ortsmuseum Schürhof ausgestellt)

Spycher Bossarthaus, 1967 abgebrochen

 

Die Jahre am Kirchrain in Windisch

Haus Rauber, Kirchrain, heute Dorfstrasse 44

Beim Pflügen im Kirchenfeld:
links Hans Rauber sen., am Steuer Hans Rauber jun.
Traktor Fordson, Selbsthalterpflug ‘Ott’ 

 

Familiengeschichte am Kirchrain

Originaltext Max Baumann, AT/BT vom 26. November 1986:

Am 27. Juni 1851 kaufte Friedrich Rauber die Liegenschaft am Kirchrain für 2650 Franken von Felix Richner, der mit seiner Familie nach Amerika auswanderte. Friedrich Rauber stammte aus dem Familienzweig ‘Lochbure’ und erblickte 1818 als Sohn des Hans Jakob Rauber und der Salome, geborene Schatzmann das Licht der Welt. Wie sein Vater wurde er Landwirt. 1844 ehelichte er Anna Müller aus Reitnau. Nach den vielen Wechseln sollte nun eine finanziell besser gestellte Familie das Haus übernehmen, und zwar für gut hundert Jahre. 1888 übernahm Sohn Fritz – verheiratet mit Verena Hirt aus Rein – das Haus für 8000 Franken, starb jedoch bereits 1892. Der 1887 geborene Sohn Hans übernahm die Liegenschaft aus der väterlichen Erbmasse um 1914 (Mutter Verena wohnte darin bis zu ihrem Tod 1927), als er mit Marie Louise Braun von Oftringen einen eigenen Hausstand gründete. Er ernährte sich teils aus seinem Landwirtschaftsbetrieb, teils aus dem Amt eines Sigristen an der benachbarten reformierten Dorfkirche. Rauber versah diese Stelle seit ungefähr 1910 bis zu seinem Tod 1951.

 

Verkauf der Liegenschaft am Kirchrain

Da keines der Kinder den kleinen Landwirtschaftsbetrieb am Kirchrain übernehmen konnte oder wollte wurde die Liegenschaft nach dem Tod des Vaters verkauft. Hans Rauber jun. schlug bereits eine andere Laufbahn in der Landwirtschaft ein (siehe nächstes Kapitel) und die zwei Schwestern Martha und Dora wanderten nach Australien aus.

 

Lehr und Wanderjahre

Hans Rauber, geboren 1918, wollte ebenfalls Landwirt werden und absolvierte zunächst 1935 ein Welschlandjahr auf einem Bauernhof in Cheyres FR am Neuenburgersee. Anschliessend im Sommer 1936 zog es ihn noch weiter in die Fremde nach Frankreich wo er in Avrainville, Dep. Meurthe et Moselle, als landwirtschaftlicher Angestellter angestellt war. Im Winter 1936/37 besuchte Hans die landwirtschaftliche Winterschule Brugg.

 

Neben viel Aktivdienst war Hans vom Oktober 1941 bis Januar 1943 auf dem grossen Landwirtschaftsbetrieb Schnyder in Uttewil FR als Karrer und rechte Hand des Betriebsleiters angestellt.

 

Durch die Vermittlung der Familie Schnyder konnte Hans dann eine Stelle auf dem von Walter Schnyder geführten Gutsbetrieb Tenuta E.O. Bally in Breganzona bei Lugano antreten. Er war dort von Februar 1943 bis April 1945 als Karrer und Stellvertreter des Werkführers angestellt. Die Tenuta beschäftigte zur damaligen Zeit ca. 30 Angestellte. In dieser Zeit lernte Hans Klara Oppliger aus Utzigen BE kennen, sie arbeitete auf dem Betrieb in der Küche. Die beiden heirateten und kündigten ihre Stellen um eine neue Herausforderung anzunehmen. 

 

Anbauwerk der Securitas AG in Cademario, 1945-1949

Ab Frühjahr 1945 übernahmen Hans und Klara Rauber-Oppliger die Leitung des Anbauwerks der Securitas AG in Cademario, Alpe Agra. Es handelte sich um eine auf 5 Jahre begrenzte Aufgabe im Rahmen des damaligen ‘Plan Wahlen’, auch ‘Anbau-schlacht’ genannt. Die Schweiz machte sich im 2. Weltkrieg mit den Massnahmen zur Ankurbelung der Lebensmittelproduktion unabhängig von ausländischen Lieferungen.

 

Bei der Alpe Agra, ca. 935 m ü. M., ging es darum zusätzliche Flächen auf dieser Höhe wieder in Betrieb zu nehmen. Es galt Rodungen durchzuführen und das Land urbar zu machen. Dabei wurde vorwiegend Brotgetreide angepflanzt. Auf den nachfolgenden Bildern sind Aufnahmen der Getreideernte zu sehen. Für die damalige Zeit eher noch selten wurde das Getreide bereits mit Traktor und Bindemäher gemäht und an sogenannte ‘Puppen’ gestellt. Das Dreschen erfolgte zentral mit einer Standdreschmaschine. Angestellte halfen mit die Ernte einzubringen.

 

Die Familie Rauber-Oppliger wohnte unweit des damals schon bestehenden Kurhauses Cademario in einem von der Securitas AG zur Verfügung gestellten Haus. In dieser Zeit kamen die Kinder Hans (1946) und Verena (1948) zur Welt.  

 

Galerie Cademario  

 

Tenuta Argentina in Bioggio, Agno, 1949-1955

Nach Abschluss der Zeit in Cademario gelang es Hans Rauber einen Vertrag mit der einflussreichen Tessiner Familie Soldati für die Pacht der Tenuta Argentina in Bioggio abzuschliessen. Der Name Argentina weist auf Argentinien hin wo die Familie Soldati zu Vermögen kam das sie im Tessin wieder reinvestierte.

 

Der Hof in der Vedeggio-Ebene zwischen Agno und Bioggio wurde gemischt mit Viehhaltung und Ackerbau bewirtschaftet. Es standen grosszügige im Tessiner Stil erbaute Gebäude zur Verfügung. Die Adresse der Gebäulichkeiten war Muzzano. Bereits beim Beginn der Pacht war ein kleiner Flugplatz mit Graspiste unmittelbar neben dem Hof vorhanden. Durch die starke Entwicklung des Tessins in den beginnenden 1950er Jahren entstand schnell der Wunsch nach einem Ausbau des Flugplatzes sodass der Hof zu diesem Zwecke verkauft wurde. Heute steht auf dem ehemaligen Hofareal der Flugplatz Agno.

 

Auf dem Hof erblickten noch die Kinder Magdalena (1950) und Peter (1955) das Licht der Welt. Die Familie Rauber-Oppliger musste nun wieder eine neue Pacht suchen da eine Vertragsverlängerung unter den gegebenen Umständen nicht möglich war und wurde in Rancate/Mendrisio fündig.

 

Galerie Argentina

 

Tenuta San Martino in Rancate, Mendrisio, 1956-1962

Die Familie Rauber-Oppliger war erleichtert, dass sie die Tenuta San Martino direkt  im Anschluss an die Tenuta Argentina pachten konnte. Die ganze Fahrhabe und das Nutzvieh konnte nach Rancate gezügelt werden. Beim neuen Hof handelte es sich um eine nach neuestem Stand der Landtechnik erbaute Liegenschaft. Der Stall und die Siloanlage wurden vom damals bekannten italienischen Hersteller Safiz erstellt. Dies und die schöne Lage des Hofes in der Laveggio-Ebene des Mendrisiotto führte damals zu grossem Interesse von landwirtschaftlichen Gruppen an Besichtigungen. Der Betrieb wurde wieder mit Viehhaltung und Ackerbau betrieben. Auf dem Hof wurde wohl der erste Mähdrescher (Massey-Ferguson) im Mendrisiotto eingesetzt. 1957 wurde das fünfte Kind, Markus, geboren. Im Laufe der Pachtzeit entwickelte sich auch im Mendrisiotto eine starke bauliche Entwicklung und der Eigentümer verkaufte den Hof vor Ablauf der Pachtdauer. Es galt daher wieder nach einer Alternative Ausschau zu halten. Die Direktion der Spinnereien Heinrich Kunz, Windisch, machte dann ein Angebot zur Uebernahme der Pacht des Landwirtschaftsbetriebs ‘Fahrgut’. 

 

Galerie San Martino

 

Fahrgut Windisch, 1962 bis 1986

Der Pachtvertrag für das Fahrgut begann ab April 1962 für 6 Jahre zu laufen und war erstmals auf den März 1967 kündbar. Ohne Kündigung lief die Pacht immer für 3 Jahre weiter. Für die Pächterfamilie Rauber-Oppliger begann jetzt eine stabilere Phase die bis 1986 dauern sollte. Zunächst galt es die ganze Fahrhabe samt Vieh von Rancate nach Windisch zu zügeln was ein immenser Aufwand war.

 

Die gesamte Fläche des Hofes betrug ca. 26 ha die mit Viehhaltung und Ackerbau bewirtschaftet wurden. Im Laufe der Zeit verlagerte sich der Schwerpunkt der Bewirtschaftung auf den Getreideanbau, da sich die Böden für diese Kulturen sehr gut eigneten. Mit dem aus dem Tessin mitgenommenen Mähdrescher Massey-Ferguson begann Hans Rauber auch in Windisch Getreideflächen für andere Bauern zu mähen. Später wurde dann zu diesem Zweck ein neuer für damalige Verhältnisse grosser Mähdrescher der Marke John Deere angeschafft.

 

Ab 1979 übernahmen Alois und Verena Burger-Rauber die Pacht des Fahrguts. Die Eltern Hans und Klara Rauber Oppliger zogen sich in den Ruhestand zurück. Den neuen Pächtern war nur noch eine Pachtdauer bis 1986 vergönnt, in diesem Jahr verkauften die Spinnereien Heinrich Kunz AG das Fahrgut an einen neuen Eigentümer.

 

Galerie Fahrgut